Risiken neu bewerten

Herausforderung GKV-VSG für die Beratungsleistung – erschienen in "Banken-Times SPEZIAL Kredit", Ausgabe Juni 2016

29.06.2016 Fachartikel

Die im Zuge des neuen GKV-VSG veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen bieten Heilberuflern neue Chancen. Ziel des Gesetzgebers ist es, die Versorgung in unterversorgten Gebieten zu sichern bzw. zu erhöhen. Chancen ohne Risiken gibt es selten, und so stellt das neue GKV-VSG auch die Banken in besonderem Maße vor ungewohnte Herausforderungen.

So ist anzunehmen, dass die Erwartungen der Kunden an ihre Berater steigen werden, denn mit der wachsenden Komplexität der Konstrukte nehmen die Risiken seitens der Kunden deutlich zu. Aber auch die Banken müssen ihrerseits die steigenden Risiken bei Kreditvergabe und Planung umfassender kalkulieren, wollen sie Verluste minimieren.

Arztgruppengleiche Medizinische Versorgungszentren (MVZ) möglich

War es bisher umstritten, ob das bis dato bei Medizinischen Versorgungszentren erforderliche Merkmal „fachübergreifend“
bei Zahnärzten mit verschiedenen fachzahnärztlichen Qualifikationen gegeben sein kann, spielt diese Frage nun keine Rolle mehr. Das neue GKV-VSG schafft rechtlich eindeutig die Möglichkeit zur Gründung arztgruppengleicher MVZ.

Boom zahnärztlicher MVZ erwartet

Nach dem Gründungsboom fachübergreifender MVZ seit der Einführung im Jahr 2004 erwarten nun Experten ein ähnliches Wachstum für zahnärztliche MVZ.
MVZ können nunmehr in der Rechtsform einer Personengesellschaft, einer GmbH oder einer eingetragenen Genossenschaft gegründet werden. (Zahn-) Ärzte können theoretisch in unbegrenzter Anzahl angestellt werden. Der Gesetzgeber hat damit Voraussetzungen für sehr umfangreiche Konstrukte im ambulanten Gesundheitswesen geschaffen. Die damit gleichermaßen steigende Komplexität ist mit den üblicherweise in Kreditabteilungen vorhandenen Kapazitäten kaum noch adäquat zu bewerten. Es lohnt sich also, Kunden – insbesondere bei umfangreichen Konstrukten – eine begleitende Beratung zu empfehlen oder ggf. zu beauflagen, um die notwendige Transparenz
und Sicherheit in der Kredit- und Liquiditätsplanung zu erreichen.

Praxisabgabe erfordert frühere Planung

Um einer steigenden Überversorgung in Ballungsräumen gezielter entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber die „Kann“-Bestimmung zum Aufkauf von Arztsitzen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen in eine „Soll”-Vorschrift überführt.
Das kann möglicherweise dazu führen, dass der Erlös einer Praxis am Ende weniger hoch ausfällt als erwartet. Es empfiehlt sich daher, für die Praxis-Abgabe deutlich mehr Vorlauf einzuplanen. Insbesondere dann, wenn der Praxisverkauf in die Alterssicherung miteingeplant ist, empfiehlt sich frühzeitig die Überprüfung der Vorsorgeleistungen. Ggf. sind Anpassungen notwendig. Entweder, indem alternativ vorgesorgt wird oder die Praxis bei der Abgabe optimal begleitet werden kann.

Es empfiehlt sich, die Praxis auf Optimierungspotenziale zu überprüfen und eine Finanzplanung zu erstellen, die die in den jeweiligen Zeitfenstern als lohnend ermittelten Investitionen berücksichtigt. Wer die Praxisabgabe möglichst wenig dem Zufall bzw. der insbesondere in überversorgten Ballungsgebieten von den Zulassungsausschüssen beurteilten Versorgungsrelevanz überlassen will, sondern den Übergang in den Ruhestand aktiv steuern möchte, sollte rechtzeitig handeln. Auch hier gilt: Je früher, desto besser, damit Finanzierungslücken vermieden und Projekte erfolgreich umgesetzt werden.

PRAXISTIPPS
 

  • Größe und/oder Rechtsform sind per se keine Wachstumsbringer. Erfolg ist nach wie vor vom Konzept, den Menschen und deren Umfeld abhängig. Kunden erwarten umfangreiche Beratung – je größer das Konstrukt, desto komplexer die Anforderungen an Bank und Finanzierung.
     
  • Sorgen Sie für bzw. empfehlen Sie Ihren Kunden insbesondere bei ihren Gründungs- oder Abgabevorhaben möglichst frühzeitig eine begleitende Beratung. Eine individuelle und passgenaue Strategie sichert Liquidität und Erfolg und schützt vor unkalkulierbaren Risiken.


SEMINARTIPP
7. Branchentag Heilberufe 04.-05.07.2016 Köln

BUCHTIPP
Stephan F. Kock (Hrsg), Management für die Arzt- und Zahnarztpraxis – Wege aus der Krise, 1. Aufl., 2015

Der Artikel ist erschienen in "Banken-Times SPEZIAL Kredit", Ausgabe Juni 2016, S. 37

Die Veröffentlichung dieses Dokuments erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Redaktion der Banken-Times Spezial Kredit des Verlages Finanz Colloquium Heidelberg.