Praxiskrisen frühzeitig erkennen – Schieflagen vermeiden

oder warum sich Krisen-Prophylaxe besonders lohnt

09.02.2015 Fachartikel

„Krisen“ oder „Schieflagen“ betreffen im ambulanten Gesundheitswesen heute weit mehr Unternehmen als allgemein angenommen wird. Die Branche ist extrem gefordert, denn seit Jahren sind die Entwicklungen im Gesundheitssektor äußerst dynamisch.

Fachkräftemangel, steigende Kosten, gesellschaftspolitischer Wandel und rasante Forschungsentwicklung – all dies sind Themen, mit denen sich die Akteure auf dem beständig wachsenden Markt auseinandersetzen müssen. Hinzu kommen die permanenten Änderungen in den Vergütungsregelungen. Die Abrechnung, in all ihren Facetten, müsste als zentrale Aufgabe behandelt werden. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Mehrheit der Praxen unzureichend oder falsch abrechnet. Es drohen Verluste und manchmal sogar Strafen.

Ärzte, Zahnärzte und Apotheker sind heute - neben ihrer eigentlichen Aufgabe des Heilens - mehr denn je gefordert, auch strategisch und betriebswirtschaftlich zu denken. Wer dies nicht aktiv tut, gerät schnell ins Trudeln: Schieflagen und Krisen sind in deutschen Arzt- und Zahnarztpraxen oder Apotheken schon längst keine Seltenheit mehr.

Häufig wird eine Praxiskrise erst dann entdeckt, wenn die Liquidität gefährdet ist. Aus Sicht von Betroffenen stellt sich die Schieflage meist plötzlich, „wie aus heiterem Himmel“ dar.

Tatsächlich ist es anders. Denn i.d.R. gibt es eine lange, meist über Jahre hinweg andauernde Vorgeschichte. Wichtige Hinweise werden jedoch entweder erst gar nicht wahrgenommen oder schlichtweg falsch gedeutet. Wie aber kommt es zu diesem „Übersehen“? Was sind die Ursachen von Schieflagen und Praxiskrisen und was kann man dagegen tun?

Praxiskrise in drei Phasen: Strategie, Erfolg, Liquidität
Das Wort Krise entstammt dem Griechischen („krísis“ = Entscheidung, entscheidende Wendung) und meint im antiken Drama den Höhe- und Wendepunkt einer oft schon problematischen Entwicklung. Die Lage erfordert dringend Veränderung und herkömmliche Mittel reichen nicht mehr aus, um die Situation zu bewältigen. Die Krise kann sowohl einen negativen als auch positiven Ausgang nehmen.

Die Bedeutung verweist also auf kein plötzliches und unvorhergesehenes Ereignis, sondern vielmehr auf eine Lage, die sich über einen längeren Zeitraum hinweg entwickelt hat. Gewohnte Strategien funktionieren nicht mehr. Neues Handeln ist erforderlich, um die missliche Lage zu überwinden und als Chance zu nutzen.

Untersuchungen zufolge durchläuft eine Praxiskrise drei zentrale Phasen. Jede einzelne Phase kann in Bezug auf Dauer und Intensität stark variieren. Häufig steht die Krisendynamik in engem Zusammenhang mit dem Umfang des zur Verfügung stehenden Kapitals.

Die Erfahrung zeigt, dass Ursachen für die jeweilige Praxisschieflage immer individuell sind. Es können sowohl endogene Faktoren, also in der Praxis selbst entstandene, oder exogene Faktoren, also von außen auf die Praxis einwirkende Faktoren, Ursache für die Krise sein. Aus diesem Grund müssen alle praxisrelevanten Bereiche äußerst umfassend analysiert und ausgewertet werden. Die Ursachen liegen meist schon mehrere Jahre zurück und führten zunächst zu einer strategischen Krise.

Unsichtbar mit Folgen – die strategische Krise
Im Zuge einer strategischen Krise werden langfristig wirkende Erfolgspotenziale nicht gesehen und bleiben dementsprechend ungenutzt oder es werden neue Erfolgspotenziale nicht rechtzeitig entwickelt und verfügbar gemacht. Im tragischsten Fall können Potenziale sogar aktiv gefährdet und zerstört werden. Da sich die Auswirkungen weder unmittelbar auf die Einnahmesituation noch auf den Erfolg des Unternehmens niederschlagen, bleiben strategische Krisen oft lange unentdeckt.

Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber 1998 das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) verabschiedet. Über diese gesetzliche Regelung sind Unternehmen zur Implementierung von Risikomanagementsystemen verpflichtet.
Diese Vorgabe gilt jedoch längst nicht für alle. Arzt-und Zahnarztpraxen, Apotheken oder Medizinische Versorgungszentren fallen nicht unter dieses Gesetz.

So verfügen die wenigsten Unternehmen im ambulanten Gesundheitswesen über entsprechende Risikomanagementsysteme oder ein professionelles Praxiscontrolling. Das ist bedauerlich, denn Praxiscontrolling kann durchaus frühzeitig wertvolle Hinweise geben, beispielsweise wenn Potenziale ungenutzt bleiben.

In dem äußerst anspruchsvollen Praxisalltag stellen Managementaufgaben für den Inhaber eine zusätzliche Belastung dar. Ist das Wartezimmer voll, stapeln sich die administrativen Aufgaben. Inmitten permanenter Hektik fehlt neben Zeit auch der Überblick, denn der Arzt als Praxischef ist selbst extrem in den Praxisalltag involviert. Entscheidende Veränderungen, wie bspw. die Bedürfnisse von Patienten oder die Konkurrenzsituation, können kaum noch beobachtet werden. Vor diesem Hintergrundwird deutlich, wie sich schnell und unbemerkt ein Veränderungsstau – und damit eine Strategiekrise – entwickeln kann.

Steigende Kosten, sinkende Erträge – die Erfolgskrise
Wenn Umsätze und Gewinne sinken, die Kosten steigen, die Patientenzahlen zurückgehen und die umgesetzte Leistung mehr kostet als sie einbringt, dann erfährt die Praxis eine Erfolgskrise. In den seltensten Fällen basieren Erfolgskrisen auf einem plötzlichen Ereignis, wie bspw. einer Erkrankung und damit verbunden einer massiven Erwerbseinschränkung. In der überwiegenden Mehrheit liegen die Ursachen in strategischen Fehlentwicklungen begründet.

Schlagen sich die Fehlentwicklungen im ausbleibenden Erfolg des Unternehmens nieder, müssten sämtliche Sirenen läuten. Werden aber die Einnahmen und Ausgaben nicht entsprechend erfasst und ausgewertet, gibt es auch keinen Alarm. Nur wenige Praxen verfügen über ein professionelles Controlling oder andere Frühwarnsysteme. Viel häufiger ist in Praxen ein Rechnungswesen anzutreffen, welches unvollständig, unübersichtlich und ungenau ist und nur über wenig Gegenwartsnähe verfügt. Aufziehende Gewitterwolken können so kaum erkannt und die entscheidenden Stellschrauben nicht identifiziert werden. Es fehlt an Transparenz.

Als Konsequenz geht wertvolle Zeit verloren. Der Handlungsrahmen wird kleiner und der Druck steigt. Nicht-Wahrnehmen, Nicht-Handeln führt zur Verschlimmerung der Lage. Denn, sind die Weichen erst falsch gestellt, gibt es nur eine Richtung: die Kapitaldecke schwindet, schneller und schneller.
 

Wachsender Druck, schwindende Möglichkeiten – die Liquiditätskrise
Wenn Rechnungen nicht mehr fristgerecht bezahlt werden können, sich Mahnungen stapeln, der Kapitaldienst und Steuerzahlungen nicht geleistet und die Kontokorrentlinie regelmäßig überzogen wird, dann erleidet die Praxis eine Liquiditätskrise.

In dieser Phase ist vor allem – neben den liquiden Mitteln – die Zeit knapp. Gleichzeitig ist der Druck zu handeln enorm groß. Betroffene erfahren eine massive Einschränkung ihrer Entscheidungsfreiheiten und Wahlmöglichkeiten. Es ist eine schwierige und unübersichtliche Lage.

Schnell muss jetzt eine umfassende Analyse erfolgen, nichts darf übersehen werden. Jede Fehleinschätzung kann fatale Konsequenzen zur Folge haben. Um die dringend benötigte Transparenz zu erreichen, müssen alle wirtschaftlich, strategisch, organisatorisch und sozial relevanten Praxisbereiche der vergangenen Jahre untersucht und bewertet werden. Erst wenn die eigentlichen Ursachen für die Schieflage eindeutig analysiert sind, kön­nen darauf basierend geeignete Maßnahmen zur Kurskorrektur entwickelt werden.

Fazit
Ursachen von Krisen sind immer individuell, selten offensichtlich und auch deshalb schwierig zu identifizieren. Werden Signale von Krisen wahrgenommen, muss professionell gehandelt werden. Je früher Fehlentwicklungen erkannt werden, desto unkomplizierter, schneller und kostengünstiger kann korrigiert werden. Nicht-Wahrnehmung verschärft die Lage. Warten auf „bessere Zeiten“ ist keine Strategie, denn meist basiert die Krise auf grundsätzlichen Fehlentwicklungen.

Frühwarnsysteme, professionelles Controlling sowie regelmäßige und gezielte Auswertung der BWA können frühzeitig wertvolle Hinweise auf problematische Entwicklungen geben.
Krisen-Prophylaxe in der Praxis lohnt sich. Sie spart Kosten und sorgt für Wachstum – mit Sicherheit.

Signale für Praxiskrisen

  • geringe Investitions- und Innovationsbestrebungen
  • Personalkosten steigen
  • niedrige Anzahl an Neupatienten
  • rückläufige Fallzahlentwicklung
  • nachlassende Motivation und Produktivität im Team
  • Personalkosten liegen über 25 % Jahresumsatz
  • hoher Krankenstand und Fluktuation im Team
  • Fehler häufen sich
  • sinkender Umsatz
  • Zahlungseingänge sind schleppend
  • rückläufige Gewinne
  • Verlust nach Unternehmerlohn
  • Rechnungen können nicht pünktlich bezahlt werden
  • liquide Unterdeckung nach Unternehmerlohn


Heilberufe-Beratung direkt digital NR. 7 VOM 09.07.2014