Digitalisierung, Telematik und die Folgen für die Praxis

Digitalisierung im Gesundheitswesen soll die Versorgung von Patienten nachhaltig verbessern und stellt die Beteiligten vor große Herausforderungen - erschienen in "Banken-Times", FinanzColloquium Heidelberg 2018

30.08.2018 Fachartikel

Kaum eine Erfindung der vergangenen 20 Jahren hat unser Leben so weitreichend verändert wie das Internet. Die damit verbundene Digitalisierung betrifft alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens – auch das Gesundheitswesen.
 

Digitale Datenverarbeitung – Schwierigkeiten beim Informationsaustausch

Fast alle Krankenhäuser und Praxen nutzen mittlerweile digitale Datenverarbeitung: Patientendaten werden erfasst und gepflegt, Leistungen dokumentiert und abgerechnet, Statistiken ausgewertet, Termine und Personal geplant.
Bei der Übermittlung und beim Austausch von Patientendaten, beispielweise zwischen dem Krankenhaus und dem Hausarzt, wird jedoch nach wie vor ganz analog auf Brief und Fax gesetzt. Das soll sich ändern. Denn die Chancen der Digitalisierung sollen auch für eine umfassendere medizinische Versorgung genutzt werden. So soll die Telematikinfrastruktur (TI) als digitale Datenautobahn unter anderem Praxen, Krankenhäuser und Krankenversicherungen miteinander verbinden und auf diese Weise sicherstellen, dass besser und schneller kommuniziert werden kann und bei Bedarf wichtige Gesundheitsdaten sofort bereitstehen. Verzögerung, unnötige Doppeluntersuchungen und Diagnose- bzw. Behandlungsfehler sollen sich so deutlich verringern lassen.


Basis: IT-Projekt Telematikinfrastruktur

Zuständig für die Einführung der Datenautobahn, die Telematikinfrastruktur, sind die Organisationen der Selbstverwaltung. Weltweit handelt es sich um das größte IT-Projekt, denn es gibt allein in Deutschland mehr als 70 Millionen gesetzlich Versicherte. Es kann daher nur schrittweise umgesetzt werden. Der Fahrplan zur digitalen Vernetzung für die Selbstverwaltung und für weitere Etappen zur Implementierung verschiedener Anwendungen ist im E-Health-Gesetz enthalten. Der erste Schritt betraf die Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarten. Im zweiten Schritt, mit Frist 31.12.2018, sollen alle Praxen an die TI angeschlossen sein und als erste Anwendung das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) durchführen. Können Sie das nicht, wird den Vertragsärzten das Honorar um ein Prozent gekürzt.


Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) ab 1.1.2019

Beim Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) geht es darum, die Stammdaten der Versicherten, die auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert sind, aktuell zu halten. Bislang können die persönlichen Daten des Versicherten und die Angaben zu seiner Krankenversicherung in der Praxis nur eingelesen, aber nicht aktualisiert werden. Auch kann nicht überprüft werden, ob die Gesundheitskarte noch gültig ist.

Ab dem 1.1.2019 und mit der Anbindung an die TI ist vorgesehen, dass Praxen bei jedem ersten Arzt-Patienten-Kontakt im Quartal das VSDM durchführen und dies gegenüber den K(Z)Ven nachzuweisen haben. Kritiker seitens der Mediziner sehen dies als Aufgaben-Verlagerung zu ihren Ungunsten. War das VSDM bis dato immer Verwaltungsaufgabe der Krankenkassen, ist es nun in die Praxen verschoben und bindet dort Kapazitäten, während die Krankenkassen Kapazitäten und Kosten sparen.

Befürworter hingegen sehen den großen Nutzen, dass die Daten im direkten Kontakt mit den Patienten aktuell gehalten und zukünftig lebensrettende Notfalldaten, der Medikationsplan sowie telemedizinische Anwendungen zur Verfügung stehen werden – eben immer genau dort, wo diese gebraucht werden.

Der Gesetzgeber sieht vor, dass die Krankenkassen die Kosten für die TI-Erstaustattung der Praxen und den laufenden Betrieb in voller Höhe zu übernehmen haben.

Vorteile für die Versicherten

  • aktuelle Versichertendaten in der Arztpraxis
  • lebensrettende Notfalldaten
  • mehr Medikationssicherheit
  • mehr medizinische Informationen für eine bessere Diagnose und Therapie
  • mehr Leistungen bei der Telemedizin
  • mehr Nutzerfreundlichkeit
  • mehr Selbstbestimmung und Transparenz durch das Patientenfach, einer digitalen Ablage, auf die Patienten auch selbst Zugriff erhalten und bspw. dort ihr Blutzuckertagebuch führen können.


Praxisabläufe müssen neu definiert – Mitarbeiter geschult werden

Begleitend im Digitalisierungsprozess müssen Praxisinhaber und ihre Mitarbeiter intensiv geschult werden. Schnittstellen sind dabei besonders zu berücksichtigen, wie auch das Thema Datenschutz und Datensicherheit. Digitalisierung bedeutet nicht, dass E-Mails ausgedruckt und in Handordner bzw. Patientenakten abgelegt oder dass online vergebene Termine wiederum in andere Kalender übertragen werden müssen.

Praxisinhaber müssen sich mit den neuen Anforderungen umfänglich auseinandersetzen, denn es gilt, nicht nur Hard- und Software-Fragen zu lösen, vielmehr betreffen die Veränderungen Abläufe in allen Bereichen der Praxis.


PRAXISTIPPS

  • Sprechen Sie Ihre Kunden auf die gesetzlichen Vorgaben und Fristen an.
  • Welche Unterstützung benötigen Ihre Kunden ggf. bei der neuen Infrastruktur und der Implementierung von dazugehörigen Prozessen?
  • Unterstützen Sie Ihre Kunden auch beim „Blick über den Tellerrand": Welche positiven Ableitungen lassen sich ggf. für die eigene Praxis generieren? Braucht das Team ggf. Anleitung und Training, „digital zu denken“, um die neuen Herausforderungen nicht mit Verweigerungshaltung oder (innerer) Kündigung zu quittieren? Wie kann Digitalisierung in der eigenen Praxis angewandt zu effizienteren Abläufen und verbesserter Behandlung führen?
  • Welche Empfehlungen, Kooperationspartner oder eigene Leistungen können Ihre Kunden bei der strategischen und betriebswirtschaftlichen Planung und Umsetzung optimal begleiten?