Die Top 5 Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung in Arztpraxis, Zahnarztpraxis und MVZ

Personalmangel und steigender Kostendruck bedrohen das ambulante Gesundheitswesen. Händeringend suchen Arzt- und Zahnarztpraxen nach Fachkräften und fragen sich gleichzeitig, wovon sie diese noch bezahlen sollen. Wie eine gezielte Mitarbeiterbindungsstrategie dazu beitragen kann, die Personalsituation zu stabilisieren und Kosten zu reduzieren, erläutern wir in diesem Artikel.

20.10.2023 Fachartikel

Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte warnen vor dem #Praxenkollaps. Auch auf Zahnarztpraxen wächst durch den Sparkurs des Bundesgesundheitsministeriums der ökonomische Druck. Während einerseits die Budgetierung ärztlicher Honorare längst nicht mehr zeitgemäß ist und gleichzeitig eine wiedereingeführte Budgetierung vertragszahnärztliche Leistungen massiv deckelt, kämpfen Praxisinhaberinnen und -inhaber gegen die roten Zahlen: die Inflation schlägt zu, Marktpreise steigen weiter, Zinsen, Mieten, Material und Energie, alles ist teurer geworden.

Besonders aber schlägt der Personalbereich zu Buche. Inzwischen sind Löhne über dem Tarif die Regel. Gleichzeitig verschärft der Mangel an qualifizierten Fachkräften die Situation. Gutes Praxispersonal ist rar und jede Neueinstellung kostet mehr Geld. In diesem Spannungsfeld kommt der Mitarbeiterbindung eine immer größere Bedeutung zu, um nicht nur die die Qualität der Patientenversorgung aufrechtzuerhalten, sondern auch die unternehmerische Stabilität Ihrer Arzt- und Zahnarztpraxis zu sichern.

Personalmanagement heißt, über das Recruiting hinauszudenken

Ob Personaldienstleister, Marketingagenturen, Ihre Mitbewerber oder Ihre Praxis selbst: Alle werben um (zahn-)medizinische Fach- und Führungskräfte. Beim Erstellen von Anzeigen und Recruiting-Kampagnen oder der Pflege eines ansprechenden Außenauftritts geht der Blick für das vorhandene Personal schon mal verloren. Nach dem Motto: „Läuft doch!“ werden Optimierungsmaßnahmen und Teamentwicklung in der bestehenden Belegschaft vernachlässigt.

Unzufriedenheit entwickelt sich jedoch oft schleichend. Werden Mitarbeiterbedürfnisse nicht gehört und berücksichtigt, steigt die Frustration – bei einzelnen Angestellten oder gar im ganzen Team. Ist erst der Zustand der „inneren Kündigung“ erreicht, zeigen Ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Eigeninitiative mehr, leisten nur noch „Dienst nach Vorschrift“ und verlassen eher früher als später die Praxis.

Jedes Ausscheiden eines Teammitglieds erhöht für andere die Arbeitsbelastung. Das Stresslevel steigt, die Atmosphäre ist angespannt und im schlechtesten Fall folgt eine Kündigungs-Kettenreaktion. Denn selten schwelt die Unzufriedenheit nur in einer einzelnen Person. Missmut wird in der Kaffeeküche weitergetragen und verstärkt – andere Mitarbeitende lassen sich womöglich aufstacheln und am Ende folgt einer Kündigung die nächste.

Wer die Mitarbeiterorientierung in den Fokus nimmt, kann personelle Krisenentwicklungen vermeiden und die wichtigste Arbeitsgrundlage einer Praxis – das Personal – langfristig sichern. Widmen Sie Ihren Mitarbeitenden die Aufmerksamkeit und Wertschätzung, die es bedarf, um eine verlässliche Personalstruktur zu schaffen. Denn Mitarbeiterwechsel wirken sich destabilisierend auf Ihr Unternehmen aus, sind nervenaufreibend und teuer.

Mitarbeiterbindung versus Kosten der Fluktuation

Es mag auf den ersten Blick verwunderlich erscheinen, ausgerechnet die Mitarbeiterbindung in den Fokus zu nehmen, in Zeiten, in denen viele Praxen unter einem enormen Kostendruck ächzen. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, wie stark die Mitarbeiterfluktuation die Kostenstruktur einer Praxis beeinflusst. Neue Mitarbeitende müssen nicht nur gefunden werden. Es braucht auch Zeit, diese anzulernen und in die speziellen Abläufe und Anforderungen der medizinischen Einrichtung einzuarbeiten.

Die finanziellen Belastungen durch Mitarbeiterwechsel sind vielfältig. Durch den Verlust erfahrener Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter sinkt zunächst die Produktivität in Ihrer Praxis. Bis ein neues Teammitglied in die Fußstapfen der Vorgängerin oder des Vorgängers hineingewachsen ist, braucht es viele zeitliche und monetäre Ressourcen:
Der Rekrutierungsprozess erfordert ein nicht unerhebliches Marketingbudget und bindet Kapazitäten für Auswahlverfahren, Bewerbungsgespräche und administrative Tätigkeiten. Gehälter werden höher verhandelt und oftmals braucht es Schulungen und Einarbeitungsphasen, die zusätzliche Kosten verursachen.

Abgesehen von den direkten Aufwendungen, entstehen auch sogenannte indirekte Kosten. Eine hohe Mitarbeiterfluktuation bringt Unruhe in Ihr Team. Sie gefährdet den reibungslosen Arbeitsablauf und hat Auswirkungen sowohl auf die Mitarbeitermotivation als auch auf die Patientenbeziehung. Verlässlichkeit und Vertrauen sind wichtige Währungen im unternehmerischen und vor allem im medizinischen Kontext. Häufig wechselnde Ansprechpartner in der Praxis schwächen die Patientenbindung und können sich negativ auf den Behandlungserfolg auswirken. Die Folge sind schlechte Praxisbewertungen, weniger Patienten und ausbleibende Bewerberinnen und Bewerber.

Mitarbeiterorientierung vor Patientenorientierung

Noch immer steht in vielen Arzt- und Zahnarztpraxen die Patientenorientierung vor der Mitarbeiterorientierung. Für ein aufwendig gestaltetes Wartezimmer wird gern einmal viel Geld in die Hand genommen. Der Patient soll sich schließlich wohl fühlen und die Praxis etwas hermachen. Der Pausenraum für Mitarbeitende ist dagegen oft nicht mehr als eine lieblos und spärlich eingerichtet Abstellkammer. „Reicht doch.“, denkt man sich. „Den bekommen Externe eh nicht zu Gesicht.“
Social-Media-Agenturen werden beauftragt, um die Online-Kanäle mit attraktivem und informativem Content für die Patienten-Zielgruppe zu bespielen. Es werden Patienten-Veranstaltungen organisiert und Infoabende durchgeführt. Für die Mitarbeitenden gibt es jedoch weder ein ansprechendes Intranet noch interne Informationsveranstaltungen. Auch Teamevents kommen oft zu kurz und in Praxisfortbildungen geht es immer noch mehr um die Patientenkommunikation als um die Gesprächskultur innerhalb der Praxis.

Praxisinhaberinnen und -inhaber vergessen oft, dass die Mitarbeiterorientierung die Grundlage für die Patientenorientierung bildet. Nur wenn sich auch Ihre Angestellten wohlfühlen, werden die Patientinnen und Patienten ein gutes Praxiserlebnis haben.
Patientenorientierte Marketingmaßnahmen können noch so gut sein, wenn sich der Eindruck in der Praxis nicht bestätigt – oder die Unzufriedenheit schon durch den Telefonhörer schwappt. Patientinnen und Patienten bestätigen immer wieder, dass sie sehr feine Antennen für die Stimmung in einer Praxis haben. Daher ist es auch für die Patientenbindung entscheidend, sich erst auf die Zufriedenheit der Praxismitarbeitenden zu konzentrieren, bevor man sich der Patientenorientierung widmet.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zufrieden, engagiert und loyal sind, bleiben Ihrer Praxis nicht nur längerfristig erhalten, sie sind auch am besten in der Lage, Patienten zu begeistern und zu binden. Ebenso, wie Sie sich das Vertrauen Ihrer Patienten verdienen müssen, damit diese wiederkommen, müssen Sie als Führungskraft auch das Vertrauen Ihres Praxisteams gewinnen, damit dieses bleibt. Das Verhältnis zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden ist eine wechselseitige Beziehung, die auf Geben und Nehmen beruht. Für die Mitarbeiterorientierung bedeute das, dass die Arbeitsbeziehung vor allem wertschätzend, involvierend und transparent gestaltet werden sollte. Mit welchen Maßnahmen das gelingen kann, haben wir hier für Sie zusammengetragen.

Die Top 5 Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung in Praxis und MVZ

1. Zeit für Gespräche

Mitarbeitergespräche spielen eine entscheidende Rolle bei der Stärkung der Mitarbeiterbindung. Ob Feedback-, Entwicklungs- oder Motivationsgespräch: Nutzen Sie die Gelegenheit, sich die Bedürfnisse, Anliegen und Ziele Ihrer Mitarbeitenden anzuhören. Ein regelmäßiger Austausch zeigt Wertschätzung für die individuellen Beiträge und fördert das Gefühl der Zugehörigkeit. In solchen Gesprächen können Karriereentwicklungen, betriebliche Herausforderungen und persönliche Themen der Praxismitglieder besprochen werden. Wichtig ist, dass die Gespräche offen, transparent und respektvoll geführt werden. Als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber sollten Sie aktiv zuhören, auf die Anliegen Ihrer Mitarbeitenden eingehen und konkrete Schritte zur Lösung von Problemen oder zur Unterstützung der beruflichen Entwicklung anbieten.

2. Attraktive Arbeitsorganisation und -umgebung

Schaffen Sie eine Umgebung und eine Atmosphäre, in der man gut und gerne arbeiten kann und möchte. Dazu gehören flexible Arbeitsmodelle, die den Bedürfnissen Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entgegenkommen: Jobsharing, Teilzeit oder (nach Möglichkeit) mobiles Arbeiten sind vor allem für Eltern und Pflegende überzeugende Bindungsargumente. Darüber hinaus wissen Mütter und Väter auch Angebote zur Kinderbetreuung oder eine Beteiligung an den Kita-Kosten zu schätzen.

Ihre Angestellten erwarten professionelles und zeitgemäßes Praxisequipment für die medizinische Versorgung. Zudem nehmen eine verlässliche Praxisorganisation und eine funktionierende, digitale Infrastruktur weiter an Bedeutung zu. Sorgen Sie daher für eine moderne und mitarbeiterfreundliche Praxisausstattung, in der auch die Pausenzeiten an Wertschätzung gewinnen: Stellen Sie Getränke, Obst und ansprechende Rückzugsräume zur Verfügung.

3. Gezielte Weiterbildung und Stärkung individueller Fähigkeiten

Investieren Sie in die Weiterentwicklung Ihrer Praxismitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Fortbildungen und Schulungen nicht nur zur fachlichen Spezialisierung, sondern auch zur persönlichen Entwicklung tragen dazu bei, das Engagement zu stärken. Zeigen Sie Ihrem Praxispersonal, dass Ihnen an der individuellen Förderung gelegen ist, indem Sie den Kompetenzgewinn mit Coaching- und Mentoringprogrammen unterstützen.

Führen Sie Zielvereinbarungsgespräche, um Leistungsanreize zu schaffen und zu bewirken, dass sich Ihre Mitarbeitenden mit der Gestaltung ihres eigenen beruflichen Fortkommens auseinandersetzen. Stellen Sie Aufstiegschancen oder Gehaltssteigerungen in Aussicht. Sorgen Sie – auch für den Fortbestand Ihrer Praxis – für einen strategisch geplanten Wissenstransfer innerhalb des Teams und nutzen Sie zum Beispiel das Prinzip der Jobrotation, um ihre Mitarbeitenden genau dort einzusetzen, wo sie mit ihren Kompetenzen und Fähigkeiten am besten aufgehoben sind. Wenn individuelle Potenziale gesehen und gefördert werden, fühlen sich Mitarbeitende stärker im Unternehmen verankert. 

4. Werte und Wertschätzung

Arzt- und Zahnarztpraxen, die ihre kommunizierten Werte auch leben, bieten ihren Mitarbeitenden Identifikationsfläche und tragen dazu bei, dass diese ihre Arbeit und ihren Beitrag als sinnhaft erachten. Etablieren Sie eine Kultur, in der eine offene Kommunikation und ein wertschätzender Umgang gepflegt werden. Regelmäßige Anerkennung für die Leistung der Mitarbeitenden fördert nicht nur das Selbstwertgefühl, sondern stärkt auch die emotionale Bindung an die Praxis.

Organisieren Sie Teamevents und Teambuilding-Maßnahmen, um den Zusammenhalt und das Zugehörigkeitsgefühl zu unterstützen. Eine harmonische Arbeitsatmosphäre und ein starker Teamgeist zählen zu den stärksten Argumenten für den Verbleib in einem Unternehmen.

5. Finanzielle Anreize und langfristige Perspektiven

In Bezug auf das Thema Mitarbeiterbindung gibt es natürlich auch einige finanzielle Anreize, die unterstützend eingesetzt werden können. Ob Gehaltserhöhungen oder Benefits in anderer Form: Umsatzbeteiligungen, Bonuszahlungen, Zuschüsse oder Vorsorgeaufwendungen setzen weitere Bindungsanreize für Ihr Praxispersonal.

Bieten Sie Ihren Mitarbeitenden eine langfristige Perspektive in der Praxis, indem Sie Karrierepfade entwickeln und Stufenmodelle für die Gehaltsentwicklung etablieren. Auch Partizipation und Mitsprachemöglichkeiten binden Ihr Personal stärker an die Praxis. Ermöglichen Sie Ihren Teammitgliedern, sich aktiv an Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Dies fördert das Wir-Gefühl und stärkt das Interesse, langfristig an einer erfolgreichen Unternehmensentwicklung teilzuhaben.

Mit Mitarbeiterbindung die Krisenresilienz der Praxis stärken

In einer Zeit, in der Kostendruck und Fachkräftemangel die medizinische Landschaft prägen, kann eine gezielte Mitarbeiterbindung einen entscheidenden Unterschied machen. Sie wirkt nicht nur den finanziellen Auswirkungen der Fluktuation entgegen, sondern fördert die Arbeitsqualität und Beständigkeit Ihrer Praxis. Mitarbeitende, die sich mit ihrem Arbeitsplatz und ihrem Team verbunden fühlen, sind in der Regel motivierter, produktiver und weniger anfällig für einen Wechsel. Dies reduziert nicht nur die Kosten für die Einarbeitung neuer Mitarbeitender, sondern sichert auch die Kontinuität in der Patientenversorgung.

Mit innerem Zusammenhalt und einem stabile Mitarbeitergefüge stärken Sie die Krisenresilienz Ihres Unternehmens. In turbulenten Zeiten oder bei unerwarteten Herausforderungen können gut eingespielte Teams effektiver zusammenarbeiten und flexibler auf Veränderungen reagieren. Die Investition in Mitarbeiterbindung ist somit eine strategische Maßnahme, die langfristig die Stabilität und Qualität Ihrer Arzt- oder Zahnarztpraxis sicherstellen kann.