Generationenkonflikte in der Praxis

Arbeitseinstellungen im Wandel der Zeit

09.07.2020 Fachartikel

Hätte Herr Dr. D. vorher gewusst, mit welcher Arbeitseinstellung der neue Kollege sich in die Praxis einbringen würde, hätte er sich vermutlich anders entschieden. Im letzten Jahr erst hatte er den jungen Arzt zu seinem Praxispartner gemacht. Heute bestimmen Generationenkonflikte das Klima in der Führungsetage.

Fallbeispiel aus der Praxis [Name v. d. Redaktion geändert]

Der Hausarzt Dr. D. führt schon seit vielen Jahren eine eigene Praxis – nach seinen eigenen Vorstellungen und Prinzipien. In den 50er Jahren geboren, fällt Dr. D. in die Generation, die u. a. den Begriff „Workaholic“ prägte: „Arbeit ist das halbe Leben und das Brot wird im Schweiße des Angesichts gegessen“ – so die Devise. Von nichts kommt eben nichts. Und so ist die 60-Stunden-Woche für den erfolgreichen Praxisinhaber gelebte Normalität – bis er seinen zukünftigen Praxisübernehmer kennenlernte.

Die Arbeitsvorstellungen haben sich verändert

Der junge Kollege ist mit Sicherheit hoch motiviert und hat viele Ideen für die Weiterführung der Praxis. So richtig zusammengehen wollen diese jedoch nicht mit den Vorstellungen des Seniors. 40 Arbeitsstunden pro Woche sollen reichen – am liebsten an vier Tagen, damit die Work-Life-Balance stimmt.

Wo die Babyboomer noch lebten, um zu arbeiten, ist für die Nachfolgegeneration X die Arbeit nur noch Mittel zum Zweck. Die Generation Y wiederum sucht nach sinnstiftender und erfüllender Arbeit. Die jüngsten Arbeitnehmer der digitalen Generation Z finden ihre Selbstverwirklichung eher im Privatleben als im Job.

Babyboomer, X, Y und Z: Das können Sie von Ihren Mitarbeitern erwarten

Im Folgenden haben wir eine kleine Übersicht zu den Hauptmerkmalen der jeweiligen Generation zusammengestellt. Berücksichtigen Sie dabei, dass eine absolute Verallgemeinerung natürlich nicht möglich ist. Schließlich ist jeder Arbeitnehmer individuell geprägt. Doch um unterschiedliche Arbeitsauffassungen, verschiedenen Arbeitsweisen, präferierte Kommunikationsformen und divergierende Erwartungshaltungen zu verstehen, ist es hilfreich, mögliche Hintergründe und Einflussfaktoren auf die Arbeitseinstellung Ihrer Mitarbeiter*innen zu kennen.

Babyboomer (ca. 1950 – 1965)

Wie der Name schon sagt, gehören die Babyboomer den geburtenstärksten Jahrgängen an. Wissenschaftler meinen, daraus u. a. zwei Folgen für das Arbeitsleben ableiten zu können: Zum einen sind Babyboomer teamfähig, gleichzeitig wissen sie sich durchzusetzen.

Babyboomer gelten als absolut leistungsorientierte und strebsame Konformisten. Auch als „Wohlstandsgeneration“ bezeichnet, profitierte diese Generation von Vollbeschäftigung und einem Bildungssystem, dass allen Schichten zugänglich gemacht wurde. Erstmals schlossen sich auch für Frauen ‚Kind und Karriere‘ nicht mehr aus. Jeder konnte etwas erreichen, wenn er oder sie sich nur ordentlich reinhängte.

Die Arbeit steht für die Nachkriegsgeneration an erster Stelle – dann erst kommt das Privatleben. Die Boomer streben nach Sicherheit und Erfolg. Sie benötigen zwingend das Gefühl, gebraucht zu werden. Respekt und Wertschätzung für ihre Erfahrung sind ihnen sehr wichtig. Mit ernstzunehmenden Führungstiteln, öffentlichem Lob oder Statussymbolen wie einem eigenen Firmenwagen fühlen sich die Babyboomer entsprechend gewürdigt.

Generation X (ca. 1965 – 1979)

Die Kindheit der Generation X ist von Unsicherheit und schnell erforderlicher Selbstständigkeit geprägt. Die wirtschaftliche Lage im Land war schlecht, oftmals arbeiteten beide Elternteile und die Schlüsselkinder sahen sich mit einer sprunghaft steigenden Scheidungsrate konfrontiert.   

Diese Generation hat gelernt, sich nur auf sich selbst zu verlassen. Daher sagt man ihren Vertretern auch ein gewisses Einzelgängertum nach – größere Teams sind nicht so ihre Sache.
Die Kinder der 1960er und 70er Jahre sind gut ausgebildet, flexibel und kreativ. Sie streben nach finanzieller Sicherheit und halten sich oftmals mehrere berufliche Optionen offen. Studien zufolge wechselt keine andere Generation so oft den Job wie diese. Zu wenig Spaß an der Arbeit und mangelnde Entwicklungsmöglichkeiten gelten als Hauptmotive für den Jobwechsel.

Im Gegensatz zu den Babyboomern ist die Arbeit für die Genration X jedoch nur Mittel zum Zweck. Sie wollen finanziell abgesichert sein, streben aber nicht zwingend nach Machtpositionen. Die Generation X arbeitet, um zu leben. Sie erwartet eine gewisse Lebensqualität, bei der Zeit wichtiger ist als Geld.

Generation Y (ca. 1980 – 1995)

Die Generation Y ist mit der Globalisierung, dem Klimawandel und Terrorismus groß geworden. Als sogenannte Millennials sind die Ypsiloner die erste Generation, die teils im digitalen Zeitalter herangewachsen ist. Der Internetboom, weltpolitische, ökonomische und ökologische Entwicklungen – alles veränderte sich rasend schnell.  

Die Generation Y (Why?) sucht dementsprechend nach dem Sinn in ihrem Handeln und möchte das Leben genießen. Führungspositionen sind ihr nicht so wichtig. Ihre berufliche Tätigkeit soll sinnstiftend und erfüllend sein, dafür bringt sie viel Fleiß und Ehrgeiz ein.

In dieser Generation wurde der Begriff „Work-Life-Balance“ geprägt. Freizeit ist den Ypsilonern ein hohes Gut, doch sind die Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben fließend: Privates auf der Arbeit zu erledigen, gehört ebenso zum Konzept, wie bei Bedarf in der Freizeit zu arbeiten.

Autoritäten und Hierarchien erkennt die Generation Y zwar an, lässt sich von ihnen aber nicht einschüchtern. Als Teamplayer arbeiten die Millennials am liebsten mit Gleichgesinnten – Netzwerken ist dabei selbstverständlich. Online, offline, Multitasking: alles kein Problem für eine Generation, die mit den neuen Medien groß geworden ist.

Generation Z (ab ca. 1995)

Die ersten Vertreter der Generation Z sind im Arbeitsmarkt angekommen. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt eine generationenspezifische Arbeitseinstellung noch nicht abschließend erörtert werden kann – ein paar Tendenzen zeichnen sich bereits ab:

Die „Always on“-Generation hat die Digitalisierung komplett in ihr Leben eingebaut. Dabei haben sich die Kommunikationsformen stark gewandelt: Interagiert wird mit Sprachnachrichten, Emoticons, Memes, GIFs und kurzen Videos. Das technische Know-how in Grafikdesign und Videoproduktion eignen sich die Digital Natives selbstständig an. Per „trial and error“ versuchen sie, ihre Ziele zu erreichen – darauf muss man sich als Arbeitgeber einlassen können.

Ihre Erfüllung findet die Generation Z eher im Privatleben. Arbeit wird wieder nur Mittel zum Zweck. Die neue Arbeitnehmergeneration setzt auf eine klare Differenzierung von Arbeitszeit und Freizeit. Tendenziell wird sie auch weniger leistungsbereit sein als ihre Vorgängergenerationen.
 
Der Job soll zur Persönlichkeit passen. Entwicklungsperspektiven und Karrierechancen sind wichtige Kriterien bei der Unternehmenswahl. Arbeitgeber können von der Generation Z nur wenig Loyalität erwarten. Als Individualisten und Einzelkämpfer können sich viele Berufseinsteiger vorstellen, in die Selbstständigkeit zu gehen.

Generationenmanagement in der Praxis: Ratgeber in Arbeit

Die kurze Abhandlung zeigt, dass die einzelnen Generationen völlig unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was Erfolg für sie bedeutet und welche Ziele sie erreichen wollen.
Wie nun gelingt es Praxisinhabern und Führungskräften im Gesundheitswesen, die richtigen Anreize für die unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter*innen zu schaffen?

Um Sie bei dieser Aufgabe zu unterstützen, arbeiten wir an einem neuen Fachbuch: "Generationenmanagement in der Arzt- und Zahnarztpraxis".

Ziel des Ratgebers ist es, einen Beitrag zur Verbesserung des generationenübergreifenden Miteinanders zu leisten. Die Autoren Stephan F. Kock und Dr. Isabell Lütkehaus beschreiben, welche Schwierigkeiten es in der Praxis zu bewältigen gilt und wie ein gutes und professionelles Miteinander gelingen kann – bei dem auf die unterschiedlichen Mitarbeiterbedürfnisse eingegangen wird.