Corona-Infektion in der Praxis: Anspruch auf Entschädigung im Quarantänefall

Was passiert, wenn der Praxisinhaber in Quarantäne geschickt wird? Wie ist der Leistungsausfall bei positiv getesteten Mitbehandlerinnen und Mitbehandlern abgedeckt? Und unter welchen Voraussetzungen hat Ihre Arzt- oder Zahnarztpraxis Anspruch auf Entschädigung durch das Infektionsschutzgesetz (IfSG)?

02.11.2020 News

In Zusammenarbeit mit der Münchener Kanzlei Lüdemann Wildfeuer & Partner und der Kanzlei für Medizinrecht aus Frankfurt haben wir für Sie die wichtigsten Informationen zusammengestellt:

Corona-Fall in der Praxis, was ist zu tun?

Sie haben einen Corana-Fall in Ihrem Praxisteam? Sie sind vielleicht selbst betroffen oder die Symptome eines Kollegen/einer Kollegin führen zu einem Verdachtsfall? Bei Unsicherheiten über die Fortführung des Praxisbetriebs ist es ratsam, Kontakt zum zuständigen Gesundheitsamt aufzunehmen.

Da es keine bundeseinheitlichen Regelungen gibt, wann eine gesamte Praxis geschlossen werden muss oder ob nur Einzelpersonen in häusliche Quarantäne geschickt werden, fallen die Handhabungen der örtlich zuständigen Gesundheitsämter bei Corona-(Verdachts-)Fällen in Arzt- und Zahnarztpraxen in den Bundesländern bzw. sogar in den einzelnen Städten unterschiedlich aus.  

Auch wenn eine Praxisschließung durch Meldung beim Gesundheitsamt nicht auszuschließen ist, so ist dies doch der sicherste Weg, um Schadensansprüche nach dem IfSG geltend machen zu können und haftungsrechtliche Risiken zu vermeiden. Denn erst eine behördlich angeordnete Quarantäne deckt Verdienstausfälle auch wirklich ab. Quarantänemaßen, die in Eigeninitiative ohne Einbeziehung des Gesundheitsamtes ergriffen werden, haben nach dem Infektionsschutzgesetz keinen Anspruch auf Entschädigung.

Welche Entschädigungen gibt es bei verordneter Quarantäne?

Eine Quarantäne kann nicht nur auf Grundlage eines positiven Testergebnisses angeordnet werden. Bereits der Verdacht auf eine Corona-Infektion kann zu einer behördlich angeordneten Quarantäne führen. Nach § 30 IfSG müssen die Betroffenen in diesem Fall unverzüglich in einem Krankenhaus oder einer anderen geeigneten Einrichtung (z. B. im eigenen Zuhause) abgesondert werden.

Wenn der Praxisbetrieb aufgrund einer behördlichen Anordnung aus infektionsschutzrechtlichen Gründen vorübergehend geschlossen oder der Praxisinhaber von der Ausübung der Tätigkeit vorübergehend ausgeschlossen wird, können Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden.

Entschädigungsansprüche nach dem IfSG

  • für den eigenen Verdienstausfall
  • für geleistete Lohnfortzahlungen an Arbeitnehmer
  • für weiterlaufende Betriebsausgaben in „angemessenem Umfang“

Nach dem Berufsbildungsgesetz hat ein Auszubildender auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er wegen eines Corona-Falls in der Praxis nicht am Arbeitsplatz erscheinen kann. Aktuell wird diese Entgeltfortzahlung nicht nach dem IfSG rückerstattet. Dies könnte sich durch entsprechende richterliche Entscheidungen aber noch ändern.

Eine Erstattung der Betriebskosten soll aktuell nur dann möglich sein, wenn bislang keine Corona-Soforthilfe-Gelder in Anspruch genommen worden sind. Hier soll aber auch der Einzelfall geprüft werden.

Nachweise für die Antragstellung

Im Fall einer behördlich angeordneten Quarantäne haben Angestellte in den ersten sechs Wochen Anspruch auf die Höhe ihres Nettogehalts – danach in Höhe des Krankengeldes.
Bei Selbstständigen richtet sich die Höhe der Entschädigung nach dem Verdienstausfall, der auf Basis des Steuerbescheids aus dem Vorjahr kalkuliert wird.

Um nachweisbare Umsatzausfälle für die Praxis deutlich zu machen, können Vergleichszahlen herangezogen werden.

Bei Einzelpraxen kann dies gut funktionieren, wenn Vergleichszahlen zu den vorherigen Monaten oder zum Vorjahres-Quartal vorliegen. Bei Gemeinschaftspraxen ist dies ungleich schwieriger: Insbesondere wenn es mehrere Behandler*innen gibt, wovon eine oder einer in Quarantäne geschickt wurde, ist der Umsatzausfall nur sehr schwer messbar. Aus diesem Grund ist es von großer Wichtigkeit, den Tätigkeitsumfang der einzelnen Behandler sowie auch den Tätigkeitsausfall der einzelnen Behandler zu dokumentieren, um eine nachweisbare Datenlage zu schaffen.

Wann greift der Versicherungsschutz?

Die Betriebsausfallversicherung greift im Quarantänefall üblicherweise leider nicht, da sie regelmäßig nur den Ausfall der Praxis wegen anderer Gründe (z. B. Wasserschaden, Elektronikausfall, Blitzeinschlag oder Ähnliches) absichert. Es gibt jedoch seltene Klauseln, die sogar eine Pandemie absichern. Schauen Sie ggf. einmal in Ihren Versicherungsvertrag, welche Ursachen für Betriebsausfälle abgedeckt sind.

Auch ein Blick in Ihre Krankheitskostenausfallversicherung kann hilfreich sein. Je nachdem, zu welchen Konditionen die Versicherung abgeschlossen wurde, könnte diese ggf. im Quarantänefall greifen. Zumeist sichern die Versicherung jedoch den Verdienstausfall erst ab der vierten Krankheitswoche ab, welche über den Zeitraum einer Quarantäne meistens hinausgehen dürfte.

Coronafällen vorbeugen: Maßnahmen aus dem Kollegenkreis

Damit es gar nicht erst zu einem Coronafall in der Niederlassung kommt bzw. im Verdachtsfall schnell reagiert werden kann, werden bereits unterschiedliche Vorsorge-Maßnahmen in Arzt- und Zahnarztpraxis erprobt und ergriffen, zum Beispiel:

Einsatz von Patienten-Pagern

Um Aufenthalte im Wartezimmer zu minimieren, werden Patienten-Pager bei der Anmeldung ausgegeben. Der Patient kann damit im Freien oder im Auto warten und wird über einen Signalton informiert, wenn es Zeit ist, in die Sprechstunde zu kommen. Kontakte im Wartezimmer können damit fast gänzlich vermieden werden.


Fiebermess-Stationen

Vor dem Betreten einer Praxis werden bei Patienten und Besuchern die Temperatur gemessen und anhand eines Formblattes einige Fragen hinsichtlich einer möglich Corona-Erkrankung gestellt.


Corona-(Schnell)-Tests

Einige Praxisinhaberinnen und -inh lassen sich selbst und ihre Mitarbeitenden regelmäßig testen – ob Corona-Test im wöchentlichen Rhythmus oder tägliche Schnelltests vor Arbeitsbeginn. Kontinuierliche Tests geben Ihrem Praxisteam Sicherheit. Sie ermöglichen es, Infektionen frühzeitig zu erkennen und wirkungsvolle Maßnahmen einzuleiten.


Grundsätzlich möchten wir darauf verweisen, dass man sich auf eine Entschädigungszahlung nach dem IfSG nicht verlassen sollte. Vielmehr gilt es, strukturelle und wirtschaftliche Maßnahmen in der Praxis zu ergreifen, die Umsatz- bzw. Gewinneinbußen möglichst gering halten.